Wer sich bei einer privaten Krankenversicherung versichert, schließt mit dieser einen privaten Vertrag. Anders als bei der GKV besteht daher grundsätzlich für die PKV keine Pflicht, einen solchen Versicherungsvertrag abzuschließen. Und wie jeder private Mensch will auch die PKV vor Vertragsabschluss wissen, welche Pflichten aus dem Vertrag auf sie zukommen. Deshalb fragt die PKV vor Abschluss nach Vorerkrankungen und Vorschädigungen.
Ggf. schließt sie entsprechende Behandlungen aus dem Versicherungsschutz aus oder lehnt den Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages ganz ab. Immer wieder kommt es vor, dass Antragsteller diese Fragen nicht richtig beantworten, also bestehende Vorerkrankungen verschweigen. Dies kommt regelmäßig heraus, wenn aufgrund der Vorerkrankung Behandlungen notwendig werden und sich aus den Mitteilungen des behandelnden Arztes ergibt, dass die Erkrankung schon bei Vertragsschluss bestand.
In solchen Fällen kann die Versicherung nach § 19 VVG je nach Verschulden des Versicherungsnehmers vom Krankenversicherungsvertrag zurücktreten oder nachträglich andere Versicherungsbedingungen festsetzen – genauer: Bestimmte Erkrankungen vom Versicherungsschutz ausschließen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main (OLG) hat nun in einem Urteil eine solche nachträgliche Vertragsänderung für unrechtmäßig gehalten (Az. 7 U 44/20).
Es ging dabei um zwei Fragen im Versicherungsantrag:
- Bestehen und/oder bestanden in den letzten drei Jahren (…) Anomalien (auch Implantate(z.B. Brustimplantate) (…)?
- Wurden in den letzten drei Jahren Behandlungen/Untersuchungen (…) durchgeführt und/oder (…) Anomalien festgestellt?
Bei dem zu versichernden Kind war schon vor der Antragstellung bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen ein „Engstand im Molarenbereich“ festgestellt und der Vater des Kindes entsprechend informiert worden. Der Vater gab dieses bei der Antragstellung nicht an. Deshalb erklärte die Versicherung einen Ausschluss aller kieferorthopädischen Leistungen. Dem widersprach das OLG: Die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen seien nicht anzeigepflichtig und bei dem Engstand handele es sich nicht um eine Anomalie. Bei der Auslegung der Fragestellung sei auf einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer abzustellen und der verstehe unter Anomalie eine Missbildung oder eine Behinderung und damit keinen Zahnengstand. Deshalb musste dieser nicht angegeben werden.
Das Urteil passt zu der Tendenz der Rechtsprechung, die Anforderung an die Anzeigepflicht von Vorerkrankungen gering zu halten, der Versicherungsgesellschaft also nachträgliche Kündigungen oder Ausschlüsse zu erschweren. Es kommt jedoch immer auf den Einzelfall an, nämlich auf die genaue Fragestellung und die Bedeutung der Normabweichung. Deshalb sollte man trotz dieser Rechtsprechung lieber jede noch so kleine Vorerkrankung angeben, um jedes Risiko der nachträglichen Einschränkung oder gar des Verlustes des Versicherungsschutzes auszuschließen. Denn in einem solchen Falle findet man regelmäßig keine andere Versicherung und muss die teuren Behandlungen selbst bezahlen.